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Rückkehr der Kohle gefährdet Klimaziele

Stromverbrauch in Deutschland sank 2022

Der Stromverbrauch in Deutschland sank 2022 insgesamt um 4 Prozent auf 484,2 TWh (2021: 504,5 TWh). Gleichzeitig stieg die Stromerzeugung im Inland um 0,4 Prozent auf 506,8 TWh. Das teilte die zuständige Bundesnetzagentur mit. Diese Daten erfassen nicht den Eigenverbrauch von Kraftwerken und Industrienetzen. Die Netto-Stromerzeugung ist um Export und Import bereinigt. Durch den unberücksichtigten Eigenverbrauch fällt der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Verbrauch tendenziell höher aus. Die Behörde bezifferte ihn für 2022 auf 48,3 Prozent (2021: 42,7 Prozent).

Doch aus Sicht der Öko-Denkfabrik Agora Energiewende fällt die CO2-Bilanz für das abgelaufene Jahr schlecht aus: „Die erforderliche Reduktion der CO₂-Emissionen ausgeblieben.“ Deutschlands Treibhausgasausstoß stagnierte bei rund 761 Millionen Tonnen CO₂, berechnete der Thinktank. Demnach lag die Emissionsminderung 2022 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 bei knapp 39 Prozent und damit zum zweiten Mal hinter dem 2020 erreichten Klimaziel von 40 Prozent. „Die CO₂-Emissionen stagnieren auf hohem Niveau, und das trotz eines deutlich niedrigeren Energieverbrauchs von Haushalten und Industrie. Das ist ein Alarmsignal im Hinblick auf die Klimaziele“, sagt Simon Müller, Direktor Deutschland bei Agora Energiewende.

Kohlestrom verhindert Emissionsrückgang

Zwar sank der Verbrauch unter das Niveau im Corona-Jahr 2020 und damit auf den tiefsten Stand im wiedervereinigten Deutschland. Der verstärkte Einsatz von Kohle und Öl machte die Emissionsminderungen durch Energieeinsparungen jedoch zunichte: Das Reduktionsziel für 2022 von 756 Millionen Tonnen CO2 wurde um 5 Millionen Tonnen knapp verfehlt. Das ist die Summe für die Bereiche Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie, Land- und Abfallwirtschaft. Auch die höheren Erträge aus der günstigen Sonnen- und Windlage im Jahr konnten die Bilanz nicht verbessern.

So stiegen die CO2-Emissionen aus der Energiewirtschaft laut Agora-Abschätzung 2022 erstmals wieder an und betrugen zum Jahresende 255 Millionen Tonnen CO2. Haupttreiber für das Plus 8 Millionen Tonnen war die höhere Verstromung von Kohle aufgrund stark gestiegener Erdgaspreise.

Die rote Laterne in Sachen Klimaziele haben erneut der Verkehrs- und der Gebäudebereich. Der Gebäudebereich überzog mit 113 Millionen Tonnen CO2 das Sektorziel um 5 Millionen Tonnen. Die bislang versäumte Wärmewende kommt angesichts marginaler Sanierungsquoten nicht in Fahrt. Auch der Verkehr verfehlte beim CO2-Ausstoß mit 150 Millionen Tonnen deutlich den erlaubten Wert von 139 Millionen Tonnen.

CO2-Bepreisung über den Emissionshandel. Das sei ein entscheidender Hebel

Einen Ausweg sieht das Umweltbundesamt (UBA) in der konsequenten CO2-Bepreisung über den Emissionshandel. Das sei ein entscheidender Hebel, um die Klimaziele zu erreichen. Auf diese Weise wird jede emittierte Tonne CO2 mit einem Preisschild versehen. So können sie maßgebliche Impulse für den klimaschonenden Umbau der Gesellschaft liefern. „Entscheidend ist außerdem, dass die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung für eine aktive sozial- und wirtschaftspolitische Flankierung der gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozesse genutzt werden können, sagte UBA-Chef Dirk Messner. „Ambitionierter ⁠Klimaschutz, Sozialverträglichkeit und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit stehen in keinem Widerspruch zueinander, sondern werden durch den Emissionshandel in Einklang gebracht.“

Im vergangenen Jahr beliefen sich die deutschen Auktionserlöse aus dem Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) auf über 6,8 Milliarden Euro. Damit stiegen die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr spürbar. Die Veräußerungserlöse aus dem nationalen Emissionshandelssystem (nEHS) für Wärme und Verkehr lagen mit rund 6,4 Milliarden Euro hingegen unterhalb des Vorjahres. Die Einnahmen aus dem EU-ETS und dem nEHS fließen vollständig in den ⁠Klima⁠- und Transformationsfonds (KTF). Aus dem Sondervermögen werden aktuell Programme wie die Bundesförderung im Gebäudebereich, die Weiterentwicklung der Elektromobilität inklusive des Ausbaus der Ladeinfrastruktur, der Aufbau der Wasserstoffindustrie oder die Förderung der Energieeffizienz gefördert. Die eigentlich für dieses Jahr vorgesehene CO2-Preisanhebung von 30 Euro auf 35 Euro verschob der Gesetzgeber um ein Jahr.

faz.net, nue-news.de: Bundesbank: Transformation wird teuer