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Milchtanke: Bürokratie außer Kontrolle

Milchtanke: Bürokratie außer Kontrolle

Seit Jahresbeginn unterliegen Milchabgabeautomaten wieder dem Mess- und Eichgesetz (MessEG) und der Mess- und Eichverordnung (MessEV). Fünf Jahre lang war die bundesweite Eichpflicht ausgesetzt. Hinzu kommt die seit Anfang 2020 geltende Kassenbonpflicht. Das alles verteuert die Selbstvermarktung mit einer Milchtankstelle direkt vom Bauernhof, während beim klassischen Verkauf über die vier Handelsriesen die gezahlte Vergütung manchmal kaum die Erzeugerkosten deckt. Die Direktvermarktung aus der Region für die Region gerät damit in Schieflage. Und der Vollzug von Gesetz und Verordnung provoziert die Frage, ob hier nicht die Bürokratie außer Kontrolle gerät.

Denn Recht und Ordnung sind das eine, eine Selbstbeschränkung der Verwaltung das andere. Als Aspekte zur Beurteilung könnte auch die Marktrelevanz der Milchtanken diesen. Seit 2010 hat sich die Zahl der Milchbetriebe in Deutschland innerhalb von 10 Jahren um mehr als ein Drittel halbiert. Auch die Zahl der Milchkühe um grob ein Fünftel auf 3,8 Millionen Milchkühe. Gleichzeitig sprang die produzierte Milchmenge von gut 30 Millionen Tonnen auf über 32 Millionen Tonnen Milch. Der Anteil der Milchtankstellen in diesem Markt ist unbekannt, dürfte aber übersichtlich sein.

Hinzu kommen die Erwartungen der Verbraucher, die Vater Staat schützen will. Möchten die Menschen garantiert 1,0 geeichte Liter Milch oder sind sie auch mit einer leicht geringeren oder größeren Menge zufrieden, solange die Flasche nicht überläuft. Der Einkauf resultiert ja eher aus politischen Gründen – Hilfe für den Milchhof um die Ecke – oder praktischen – die Tankstelle liegt auf dem Heimweg.

Das Wirtschaftsministerium in Bayern will zumindest per Bundesratsinitiative Eich- und Bonpflicht für Landwirte und deren Milchabgabeautomaten kippen. Denn die Investitionen in neue Milchautomaten lägen ohne Pasteurisierungsanlage, Milchkannen und Ausstattung des Gebäudes bei rund 25.000 Euro. Bei einer Neu- und Ersatzbeschaffung eines Automaten gerate die Wirtschaftlichkeit des Milchverkaufs in eine enorme Schieflage. Gleichzeitig steigt aber seit längerem die Nachfrage nach unbehandelter frischer Milch direkt vom Bauernhof.

Bayern spielt hier die Bürokratie gegen die Bürokratie aus. Das zuständige Landesamt für Maß und Gewicht (LMG) gewährt unter Wirtschaftsminister Aiwanger angesichts der politischen Initiativen aus Bayern auch über das Jahr 2023 hinaus eine „Übergangsfrist“. Mit diesem bürokratischen Winkelzug erhielten Betreiber genügend Zeit, die Verpflichtungen des Mess- und Eichrechtes bei Messanlagen zur Abgabe von Milch zu erfüllen und die Geräte nach und nach in einen rechtskonformen Zustand zu bringen.

Während halb Deutschland über die Deindustrialisierung diskutiert und händeringend Mitarbeiter sucht, entstand in Rheinland-Pfalz eine Unsicherheit um das halbe Bäckerbrot. Eine Bäckerei-Kette in Ludwigshafen stellt nach einem Besuch des Mess- und Eichamts den Verkauf von halben Broten ein. Das Landesamt für Mess- und Eichwesen spricht dagegen von behördlichen Beratungen, bei denen keine Geldbuße festgesetzt wurde.

Die Behörde entdeckte halbierte vorverpackte Brote zu einem höheren Preis als die unverpackten Brote. Konkret wurde ein 2-Kilogramm-Brot (Preis 7,65 Euro) geteilt. Ein Viertel des Brotes kostete dann 2,40 Euro, so dass sich für das gesamte Brot nunmehr ein Verkaufspreis von 9,60 Euro ergab. Ohne die gesetzlich geforderte Information an dem Brot bleiben die Verbraucher über diese Preiserhöhung im Unklaren. Somit diene die Kennzeichnungsforderung durch das Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz dem Verbraucherschutz, unterstreicht die Behörde. Das ist allerdings ein quantitatives Engagement, häufig bleiben etwa Zusatzstoffe beim Brot wie häufig in der Lebensmittelindustrie im Dunkeln.

nue-news.de: Mittelfrankens M+E-Industrie bläst auch wegen Bürokratie Tübsal, nue-news.de/buchtipp-supermarkt-kompass/