Jetzt fangen auch die Mühlen der EU-Kommission an zu mahlen. Geht es nach ihrem Willen, werden geltenden Vermarktungsnormen für eine Reihe von Agrarlebensmitteln überarbeitet. Das betrifft etwa Obst und Gemüse, Fruchtsäfte und Konfitüren, Honig, Geflügel und Eier. Geplant sind allerdings typische Tippelschritte, wie das Beispiel Honig zeigt. Bislang findet sich auf den Honiggläsern etwa die Angabe „Aus EU- und Nicht-EU-Ländern“.
Diese Pseudoinformation schafft bei einem Käufer keine Transparenz über die Herkunft. Die EU-Kommission will nun die Herkunftsländer auf dem Etikett sehen. Da steht künftig vielleicht China und Deutschland drauf allerdings ohne Mengenanteile. So wird weiterhin der China-Honig mit einer Mindestzutat aus Deutschland schon fast zum heimischen Produkt. Das gewünschte, marginale Plus bei der Transparenz durchläuft noch das übliche Gesetzgebungsverfahren mit Europäischem Parlament und Rat.
Das intransparente Honig-Beispiel greift auch der Foodwatch-Gründer Thilo Bode in seinem neusten Buch Supermarkt-Kompass (ISBN 978-3-10-397160-6, gebunden, 22 Euro) auf. Er schreibt: „Hier wird der Kunde, auf gut deutsch, für dumm verkauft.“ Als Differenzierung griffen Hersteller und Händler zu Phantasienamen, wie Sommerblütenhonig, Honigtauhonig oder extra feine Auslese. Vor dem Honigregal bleibt dann nur noch der Preis als Differenzierungsmittel, der aber keinen eindeutigen Rückschluss auf die Qualität zulässt. Bode dekliniert diese intransparenten Facetten auch etwa für Brot, Gemüse oder auch Äpfel durch.
Sein bekannter Tenor wird auch hier wieder deutlich. Nachdem der deutsche Lebensmittelhandel von einem Oligopol aus Aldi, Edeka, Lidl und Rewe beherrscht wird, werde es auch nicht besser. Immerhin beherrschen sie 85 Prozent vom Markt. Sie brauchen für steigende Gewinne günstige Produkte, Zusatzstoffe und Hilfsmittel um uniforme Produkte aufzupeppen, Zulieferer für große Mengen, lieferoptimierte und haltbare Waren. Gesündere Lebensmittel, die etwa kurzlebiger im Regal halten, oder Transparenz über Herkunft und Nebenwirkungen in der Produktion sind keine ökonomische Kategorie. Denn Umweltverschmutzung, Ausbeutung natürlicher Wasserressourcen, Minimierung der Produkt- und Herstellervielfalt sind weitgehend nicht eingepreist.
Bode verteidigt in gewisser Weise das Verhalten der „Big Four“ im Lebensmittelhandel. Transparenz ist vom Gesetzgeber nicht vorgegeben, daher verhalte sich das Oligopol wirtschaftlich rational. Denn ein Vorstoß abseits vom Preis etwa zu mehr Qualität, wie etwa einmal Lidl mit seinen Bio-Bananen, führt im knallharten Wettbewerb zu weniger Marktanteilen. Die deutsche und die europäische Politik halten sich mit einschneidenden Maßnahmen vornehm zurück.
Auch die Verbrauchermacht mit ihrer Abstimmung mit den Füßen nimmt Bode weitgehend aus. In einem Oligopol mit weitgehend uniformer Produktauswahl habe der Kunde wenig Alternativen. Es könne beim Produktkauf angesichts der Intransparenz im Wesentlichen auf Verpackung oder Preis achten. „Wir sind nicht die souveränen Marktteilnehmer auf Augenhöhe, die über eine wirkliche `Wahlfreiheit´ verfügen.
Bodes Supermarkt-Kompass enthält über das Politikversagen hinaus viele interessante Details über Erzeugung und schwindende Qualität von Lebensmittel. Dabei klammert er auch die Bio-Wirtschaft nicht aus. Das macht das Buch lesenswert.