Der Nürnberger Organisations- und Softwaredienstleister BRZ treibt den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Baupraxis voran. Auf der Kölner Messe Digital-Bau stellt er in der nächsten Woche ein KI-System für den kaufmännischen Bereich im Baubetrieb vor. Damit werde etwa eine neue Auswertungsmöglichkeit mittels interaktiver Geschäftsanalytik möglich. Darüber hinaus erlauben weitere Module ein ESG-Reporting (ESG: Environmental, Social, Governance) und eine digitale Bürgschaftsverwaltung. Sie ergänzen die bestehende KI-Baukalkulation des BRZ.
Die neue KI-Anwendung erlaubt eine weitgehend automatische Verbuchung von eingehenden Belegen und Rechnungen. Für den Praxistest in Zusammenarbeit mit einem mittelständischen Bauunternehmen wurde ein komplettes Geschäftsjahr manuell nachgebucht und die Ergebnisse mit denen der KI verglichen. Im Ergebnis lag die KI-Trefferquote bei über 92 Prozent. „Ein Resultat, das mit der bisher üblichen, traditionellen Vorgehensweise bei der Kontierung mithalten kann“, erläutert Christian Jurasin, verantwortlich für die kaufmännische Cloudlösung BRZ 365 Finance.
ESG-Anforderungen müssen mittelständische Baubetriebe ab 2025 dokumentieren. Allerdings seien bereits jetzt Erweiterungen in den Datenstrukturen sowohl der baubetrieblichen als auch der kaufmännischen Anwendungen sowie im Materialmanagement sinnvoll, ist sich Jurasin sicher. Die Pflicht zur ESG-Dokumentation trifft zwar zunächst nur Unternehmen mit über Mitarbeitern beziehungsweise einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro. „Doch wenn Nachunternehmerleistungen ins ESG-Reporting aufzunehmen sind, müssen auch die entsprechenden Werte der in der Regel kleineren ausführenden Nachunternehmen unkompliziert abrufbar sein.“ Daher betreffe laut Jurasin das Thema ESG die Bauunternehmen nahezu aller Betriebsgrößen.
Digitales für fragmentierte Branche
Die Messe Digital-Bau zeigt den Besuchern, dass die konsequente digitale Transformation der Baubranche als Schlüssel zum klimafreundlichen Bauen gilt. Der Wandel von analogen zu digitalen Prozessen bringt fast im Wochentakt auch für die Bauwirtschaft neue Produkte und Dienstleistungen hervor. Häuser aus dem 3D-Drucker, Robotik auf der Baustelle, KI, Big Data und interdisziplinäre Planungstools waren vor wenigen Jahren noch Zukunftsmusik. Allerdings ist das Bauhauptgewerbe in Deutschland stark fragmentiert. 2022 hatten fast 90 Prozent der Unternehmen weniger als 20 Beschäftigten. Das bremst kombiniert mit oft zahlreichen Prozessbeteiligten den digitalen Vormarsch.
Studie: „Tendenz zur Selbstüberschätzung“
Hinzu kommt eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei der Digitalisierung der Immobilienwirtschaft. Das belegt die Studie „Transform to Succeed“ der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Demnach verzichten 60 Prozent der Befragten bislang ganz auf Technologien, wie KI, Internet der Dinge und auch Augmented Reality. Gerade einmal ein Viertel nutzt im Unternehmensalltag Verfahren wie Predictive Analytics und damit digitale Verfahren, um Muster in großen Datenmengen zu identifizieren und zukünftige Ergebnisse vorherzusagen.
In der Studie bescheinigen ältere Mitarbeitende und Führungskräfte ihren Unternehmen im Schnitt einen deutlich höheren Reifegrad als es jüngere Mitarbeiter und Fachkräfte tun. Verena Rock, Professorin und Studiengangleiterin Digitales Immobilienmanagement vermutet hier eine „Tendenz zur Selbsttäuschung“. Führungskräfte, die tendenziell auch älter seien, überschätzten den Stand der Digitalisierung in ihren Unternehmen.