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Rödl: Internationalisierung geht weiter

Rödl: Internationalisierung geht weiter

Das Schlagwort von einer Deglobalisierung kann Christian Rödl, Chef der Nürnberger Beratungs- und Prüfungskanzlei Rödl & Partner nicht nachvollziehen. „Ich beobachte bei Mittelstand und Familienunternehmen eher das Gegenteil.“ Bereits seit mehreren Jahren investierten sie mehr im Ausland als in Deutschland. Für diese Entwicklung sprächen gute Gründe. „Es geht um die Nähe zu lokalen Märkten, bessere Rahmenbedingungen, geringere Energiekosten sowie gut ausgebildeten Arbeitskräfte.“

So seien Mandanten von Rödl von der umfangreichen Willkommenskultur in den USA begeistert. Dafür sorgt der im letzten Jahr verabschiedete US-Inflation Reduction Act, der unter anderem mit Subventionen und Steuergutschriften lockt. Belohnt werden beispielsweise die Produktion klimafreundlicher Energien und Güter, wie Wärmepumpen, Batterien oder Solarzellen. Auch für den Kauf solcher Produkte bis hin zum E-Auto gibt es staatliche Prämien.

Derisking, aber kein Decoupling in China

Auch China, im letzten Jahr zum siebten Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner, stehe bei Familienunternehmen und Mittelständlern hoch im Kurs. „Wir reden hier über die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, die Wirtschaftskraft wird unterschätzt.“ Allerdings sollten sich Unternehmen in der politischen Diskussion über Derisking und Decoupling ihre Investitionen gut überlegen. Dahinter steht die Bewertung Chinas als Kooperationspartner, Wettbewerber und Systemrivale. Bei Derisking geht es etwa um diversifizierte Lieferketten, um nicht allein von der Vorproduktion in China abhängig zu sein. Die Folgen waren etwa während der Corona-Pandemie durch das feststeckende Containerschiff Ever Given im Suezkanal oder dem Lockdown des weltgrößten, chinesischen Hafens in Shanghai deutlich. Ein Decoupling, ein Abkoppeln der deutschen oder europäischen Wirtschaft vom Reich der Mitte, sei keine Perspektive.

Vielmehr beobachtet Rödl Investitionen in neue Produktionen in China, um auch bei Handelsbeschränkungen für die lokalen Märkte weiterproduzieren zu können. Dabei geht es sowohl um Konsumgüter für die Chinesen als auch um Vorprodukte für Maschinen und Anlagen, die in China hergestellt werden. Auch die chinesische Politik lockt unter anderem mit günstigen Steuersätzen.

Bei den Auslandsinvestitionen boomen Rödls Einschätzung zu Folge auch Vietnam, Indien oder die Türkei mit ihren vielen jungen Konsumenten. Bei den Investitionen in Auslandsmärkte sollten Mittelständler zuerst mit dem Vertrieb beginnen, um die länderspezifischen Märkte zu testen. So sind etwa in Indien andere Produkte gefragt, als in China. „Eventuell sind Produkte oder Dienstleistungen für Indien im Vergleich overengineered, gefragt ist dort aktuell eher Lowtech.“

Fachkräftelücke im Ausland schließen

Auch das Thema Fachkräftemangel in Deutschland und Arbeitskräfte in den Weltregionen spreche für weitere Internationalisierung auch der mittelfränkischen Wirtschaft. So produzieren viele Familienunternehmen auch in Mexiko, um von dort aus Dank der Freihandelszone NAFTA von den USA, Kanada und Mexiko direkt in den US-amerikanischen Markt zu liefern. Die mexikanischen Arbeitskräfte seien so gut wie die in den USA.

Aber auch Forschungs- und Entwicklungszentren in China sind zunehmend attraktiv. „Die Ingenieurausbildung gilt als gut, manchmal teils sogar besser als in Deutschland“, hat Rödl aus seiner Mandantschaft gehört. Bei der Problemlösungs-Kompetenz mache es manchmal auch die schiere Masse. Ein Mandant habe es Ameisenstrategie genannt, von den umtriebigen Ingenieuren finde einer die Lösung.

Diese Entwicklung gewinnt der Kanzlei-Chef auch eine positive Dimension ab. Denn fehlende Experten sind seit Jahren ein Problem in Deutschland. Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften hat teils das Wachstum in Deutschland gebremst, auch wenn diese Entwicklung derzeit durch die flaue Konjunktur und sinkende Auftragsbestände überlagert wird. Das internationale Engagement kann in den Unternehmen Mitarbeiter entlasten, um sie für andere Aufgaben mit mehr Wertschöpfung einzusetzen. „Wir müssen nicht jedes chemische Grundprodukt in Deutschland herstellen.“ Gleichwohl bewertet er die europaweit vergleichsweise immer noch starke Inlandsproduktion und hohe Fertigungstiefe als einen Standortvorteil.