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Künstliche Intelligenz: Bitte Übernehmen!

Zentrum für Künstliche Intelligenz (KIZ) der Ohm entwickelt pragmatische KI-Lösungen

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen nicht länger am Rand stehen, wenn es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Betrieb geht. Das 2021 gegründetes Zentrum für Künstliche Intelligenz (KIZ) der Technischen Hochschule Nürnberg (Ohm) entwickelt und implementiert abseits der großen KI-Lösungen pragmatische Lösungen, die Produktionsprozesse vereinfachen. „Knowhow-Transfer ist heute unsere `first mission´, sagt Ohm-Präsident Niels Oberbeck. Mit diesem Schulterschluss von Wirtschaft und Wissenschaft ließen sich die Chancen der digitalen Transformation auch bei KMUs voll auszuschöpfen.

Unter der Regie der beiden Professoren Tobias Bocklet und Korbinian Riedhammer unterstützt das KIZ den KI-Wissenstransfer durch angewandte Forschung, KI-Sensibilisierung und KI-Weiterbildung. Der schematische Prozess ist dabei immer ähnlich. Zunächst wird das System mit Daten und entsprechenden Labels, also definierte Kategorien die für konkrete Trainingsdaten wichtig sind, gefüttert. Das können beispielsweise ganz simple Katzendaten sein. In dem folgenden Schritt wird das KI-Modell mit neuen Daten gefüttert und kann so am Ende etwa zischen Katzen- und Hundebilder unterscheiden. „Es geht um das maschinelle Lernen aus Daten“, erläutert Bocklet.

KI-Semmeldetektor hilft weiter

Dieses Prinzip hat das KIZ etwa für den digitalen „Semmeldetektor“ realisiert. Ein mittelständischer Backfilialist lässt damit für jeden Standort die unverkauften Brötchen-Rückläufer erfassen und klassifizieren. Als Datengrundlage dienen jeweils 1.000 Bilder einzelner Gebäckstücke. Die KI-Erfassung entlastet die Arbeitskräfte und senkt den Ausschuss, weil durch die KI-Auswertung die einzelnen Filialen genauer mit Sorten und Mengen beliefert werden können. Dadurch spare der Bäcker alljährlich einen mittleren fünfstelligen Euro-Betrag. Weitere Bäckereien wollen laut Bocklet ebenfalls diese Detektionslösung anwenden.

KI-Semmeldetektor hilft weiter
Der KI-Semmeldektekor des Ohhm-KIZ. Foto: Thomas Tjiang

Mit einem ähnlichen Prinzip unterstützt das KIZ auch ein Sägewerk: Dort wurde bislang die Holzqualität vor der Verarbeitung mit bloßem Auge geprüft, die über den Holzpreis entscheidet. Künftig soll eine KI den Fäulnisanteil des Holzes schneller, zuverlässiger und objektiver zu ermitteln. Waldbesitzer interessieren sich auch schon für die Lösung, um per Smartphone-Foto von geschlagenem Holz den voraussichtlichen Preis frühzeitig zu ermitteln.

Im Gesundheitsbereich führt das KIZ gerade bei einem großen Pflegeheimbetreiber eine KI ein, um mit Sprachdaten, also der Auswertung von Stimmen der Bewohner, eine Demenz frühzeitig zu erkennen. Bislang kann die häufigste Alterskrankheit nur durch Blutanalyse aufgespürt werden.

Eine andere KIZ-Lösung hilft bei der Qualitätssicherung in der Industrieproduktion von bedruckten Glasflaschen. Mit Kameras und KI in der herausfordernden Situation mit Glas-Spiegelungen oder Foto-Reflexionen lassen sich auch frühzeitig gleiche Fehler schneller identifizieren und die Produktionsparameter anpassen.

Für eine automatische Erfolgsbewertung von Angeboten bei einer Ausschreibung tüftelt das KIZ mit Projekten in drei Firmen. Bei Automobilzulieferern oder Sondermaschinenbauer werden zunächst Ähnlichkeitsanalysen mit früheren Angeboten durchgeführt. Dafür werden unter anderem Infos aus SAP-Datenbanken und Excel-Daten z.B. zu Stückzahl, Materialart und Typ sowie Nachkalkulationen abgerufen. Außerdem zieht das System auch Text- und Bildanalysen heran und arbeitet zudem mit Sprachinformationen. „So lässt sich am Ende die Wirtschaftlichkeit besser überprüfen und ein Angebot schneller erstellen“, ist sich Bocklet mit Blick auf Herstellungs-, Fertigungs-, Material- und Fremdleistungskosten sicher.

Mittlerweile gelten KI-Anwendungen als großer Beschleuniger für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen quer durch alle Branchen. Folgt man beispielsweise einer Studie der Beratung PwC, könnte die deutsche Wirtschaft durch KI in den kommenden Jahren jährlich bis zu 0,7 Prozent wachsen. Das wäre für die bundesdeutsche Konjunktur bis 2030 einen BIP-Schub von insgesamt 220 Milliarden Euro. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn bezifferte zuletzt die Verbreitung von KI in Unternehmen auf rund zehn Prozent. Bei kleinen Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten ist allerdings nur jede 13. Firma in Sachen KI aktiv. Bei Großunternehmen ab 250 Mitarbeiten sind es dagegen 40 Prozent. Das kann beispielsweise daran liegen, dass große Unternehmen mehr IT-Fachpersonal haben oder sich KI-Investitionen günstiger auf größere Produktionsmenge umlegen lassen.

Für die vom Freistaat Bayern ausgerufene `KI-Zeitenwende´ ist Nürnberg und die Region gut aufgestellt. „KI ist keine Zukunftsutopie“, ergänzt Nürnbergs Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier. Vielmehr kristallisiere sich Nürnberg als Hotspot der KI heraus. So habe die Noris mit der Technischen Universität Nürnberg die erste KI-Uni, zudem beschäftigten sich in der gesamten Metropolregion rund 200 Professoren mit unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der KI. Durch die KI-Offensive vom Freistaat gibt es einen weiteren Schub. Nürnberg bekommt neben vier weiteren Standorten in Bayern ein KI-Regionalzentrum für den Mittelstand. Mit dem Programm bietet der Freistaat Mittelständlern in ganz Bayern Unterstützungsmöglichkeiten zur Einführung von KI im eigenen Unternehmen. Die Staatsregierung rechnet mit rund 61 Milliarden Euro, die die KI zur Bruttowertschöpfung beitragen könnte.

nue-news.de: Vitas sammelt mehr Geld für KI-Telefonassistenz

Beitragsbild: v. l.: KIZ-Chef Prof. Tobias Bocklet, Nürnbergs Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier, Ohm-Präsident Prof. Niels Oberbeck und KIZ-Co-Chef Prof. Korbinian Riedhammer