Das 2018 in Nürnberg gegründete Startup Inclusify realisiert eine umfassende Form von Teilhabe. „Wir denken Inklusion weiter“ erklärt Gründer und Vorstand Marco Richardson. Es geht nicht nur um die Integration von Menschen mit Behinderung in Gesellschaft und Berufswelt. Vielmehr geht es um die Einbindung aller Menschen, die beispielsweise aufgrund persönlicher Merkmale ausgegrenzt sind. Darunter versteht Richardson auch Mitarbeiter, die in lauter Umgebung nichts hören können. Auch Beschäftigte mit Sprachbarrieren oder Leseschwächen sind situativ behindert.
Richardson illustriert das mit Erfahrungen aus seinem Kundenkreis während des Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie. Die Inbetriebnahme einer neuen Maschine in Brasilien scheiterte am COVID-19-Kontaktverbot, ein Flug nach Südamerika war für die Servicetechniker nicht möglich. Beim ausgewählten Maschinenführer vor Ort wurde dann aber festgestellt, dass er nicht Lesen und Schreiben kann. Solche Behinderungen überbrückt Inclusify mit entsprechender Software für eine Datenbrille, eine sogenannte Hololens.
Mit sogenannten Augmented Reality-Anwendungen (AR) lässt sich beispielsweise die Umgebung erkennen und mit entsprechenden Informationen direkt im Sichtfeld kombinieren. So verschmelzen reale und virtuelle Welt. Die Bedienung, etwa das weiterscrollen in einem Text, erfolgt durch das sogenannte Eyetracking, dem automatisierten Nachverfolgen der Augenbewegung. Datenbrillen sind technisch mittlerweile so ausgereift, dass sie mit den Funktionen eines Smartphones mithalten können.
Richardson nutzt ein komplexes Modul zur Bedarfserhebung, um die konkreten Probleme in den Unternehmen genau zu analysieren. Denn vor Ort beim Kunden finden sich immer wieder diverse Teams mit unterschiedlichen Bildungsständen und Sprachkompetenzen. Mal kenne sich in der Produktion niemand mit der neuen Technik aus und könne sie nicht bedienen. Mal scheitert der reibungslose Betrieb einer Maschine an „menschlichen Befindlichkeiten“. Damit meint er auch Schwierigkeiten aufgrund des demographischen Wandels. „Die Älteren wollen manchmal ihr Wissen nicht teilen, um ihre Position in der Abteilung abzusichern oder sich kurz vor der Rente nicht mehr in neuen Themen reinknien.“
Strategischer Investor hilft
Rückenwind für die Ausrichtung auf die Industrie bekommt die AG durch ihren Mehrheitsgesellschafter, das IT-Unternehmen ACP Holding Österreich. Aus einem Zufallskontakt entpuppte sich Ende 2019 ein strategischer Geldgeber mit Verständnis für Softwareentwicklung und einem attraktiven Vertriebsnetz. Im Geschäftsjahr 2020/2021 (01. April bis 31. März) setzte Inclusify einen kleinen einstelligen Millionen-Euro-Umsatz um, der bei ACP konsolidiert wird. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Richardson mit einem weiteren Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich. Die Zahl der Mitarbeiter lag zuletzt bei 14 Beschäftigten und stieg im laufenden Jahr auf 15 Beschäftigte und 2 Freie.