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IAB: Sozialgeld hält Ukrainer nicht vom Arbeiten ab

IAB stellt nur einen kleinen Zusammenhang zwischen Beschäftigungsquoten und sozialen Transferleistungen fest

Der politische Vorwurf, deutsche Sozialleistungen locken besonders viele Flüchtlinge aus der Ukrainer nach Deutschland, ist genauso beliebt wie falsch. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellt nur einen kleinen, statistisch nicht signifikanter Zusammenhang zwischen Beschäftigungsquoten und sozialen Transferleistungen fest. Dafür hat die Denkfabrik die Beschäftigungsquoten ukrainischer Geflüchteter in 26 europäischen Ländern verglichen. Zwar gibt es tatsächlich teils erhebliche Unterschiede bei der Arbeitsmarktintegration. Dies führt zu anhaltenden Debatten über die Effektivität verschiedener Integrationsstrategien. Sozialtransfers spielen allerdings keine entscheidende Rolle.

Im ersten Quartal 2024 wies Litauen mit 57 Prozent die höchste Beschäftigungsquote unter den untersuchten Ländern auf. In Dänemark und Polen waren mit 53 Prozent und 48 Prozent ähnlich viele ukrainische Geflüchtete in Beschäftigung. Am anderen Ende der Skala standen Länder wie Finnland, Norwegen, Rumänien und Spanien mit Beschäftigungsquoten von weniger als 20 Prozent. Deutschland setzt weiter auf die „Sprache zuerst“-Strategie und rangierte Anfang 2024 mit einer Beschäftigungsquote von 27 Prozent im europäischen Mittelfeld.

Der IAB-Studie zufolge verzeichnen Länder mit hoher Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften höhere Beschäftigungsquoten. „Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass diese Jobs an geringere sprachliche und andere Voraussetzungen gebunden sind und sie schneller besetzt werden können“, erläutert IAB-Forscherin Yuliya Kosyakova. In Ländern mit steigenden Arbeitslosigkeitsquoten sind die Beschäftigungsquoten geringer. Dort ist die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes gerade begrenzt, daher wird stärker um verfügbare Jobs konkurriert. Auch erschweren stärkere Regulierungen den Zugang zum Arbeitsmarkt insbesondere für neu zugezogene ukrainische Geflüchtete. Flexible Arbeitsmärkte erleichtern hingegen den Zugang für Zuwandernde, indem sie die Risiken und Kosten bei der Einstellung neuer Mitarbeiter verringern.

Um die Wirkung von Transferleistungen als entscheidenden Hindernis für eine Beschäftigung zu beurteilen, hat das IAB soziale Transferleistungen als Anteil der durchschnittlichen Ausgaben je Geflüchteten am jeweiligen Länder-BIP pro Kopf gemessen. Der vermeintlich entscheidende Pull-Faktor ließ sich nicht nachweisen.

Dafür beeinflussen andere Faktoren wie zum Beispiel soziale Netzwerke die Höhe der Beschäftigungsquote stärker: Länder mit einem höheren Anteil ukrainischer Staatsangehöriger an der Bevölkerung weisen höhere Beschäftigungsquoten aus. „Auch ausgeprägte Englischkenntnisse in der Bevölkerung beeinflussen die Beschäftigungsquoten positiv, wahrscheinlich weil sie die Kommunikation und damit auch die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern“, erklärt Forscher-Kollegin in Kseniia Gatskova.

Die Ergebnisse machen zudem deutlich, wie hoch der Einfluss wie etwa die Anzahl der Kinder pro Frau im erwerbsfähigen Alter auf die Arbeitsmarktintegration ist. Immerhin sind die meisten Geflüchteten Frauen und viele von ihnen Mütter. Sie profitieren daher in Ländern mit einer besser ausgebauten Kinderbetreuungsinfrastruktur, wie etwa Dänemark oder die Niederlande. Entsprechend sind dort die Beschäftigungsquoten höher. Auch mit einem umfassenden Zugang zu Gesundheitsleistungen gehen steigende Beschäftigungsquoten einher.

Umfassende Integrationsansätze, die langfristig die Humankapitalbildung fördern, wie beispielsweise flächendeckende Sprach- und Integrationskurse, senken kurzfristig die Beschäftigungsquoten. „Für Deutschland zeigen die Erfahrungen, dass diese Investitionen in Bildung mittel- und langfristig die Beschäftigungswahrscheinlichkeit und die Nachhaltigkeit der Arbeitsmarktintegration erhöhen“, sagt IAB-Forscherin Theresa Koch. Immerhin sind zwei Drittel der 2013 bis 2019 eingewanderten Geflüchteten acht Jahres später im Durchschnitt erwerbstätig.

nue-news.de: IAB sieht Mitnahmeeffekte beim Kurzarbeitergeld