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Sozialunternehmer geht in den Unruhestand

Sozialunternehmer Michael Thiem hob die Soziale Betriebe der Laufer Mühle aus der Taufe

Der Sozialpädagoge Michael Thiem hatte eine klare Vision, als er vor 25 Jahren die Soziale Betriebe der Laufer Mühle als gemeinnützige gGmbH im mittelfränkischen Adelsdorf aus der Taufe hob. „Wir wollten suchtkranken Menschen mit schwersten Abhängigkeitsverläufen helfen“, sagt er über die Gründeridee seines „sozialen Startup“. Im Fokus hatte er Suchtkranke, „die von psychiatrischen und therapeutischen Krankenhäusern als abgeschrieben und als hoffnungslos beziehungsweise unheilbar galten.“

Die Bilanz seines Sozialunternehmens kann sich sehen lassen. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von vier auf 110 Beschäftigte. Zu den Betrieben der Laufer Mühle gehören sechs KreisLauf-Kaufhäuser zwischen Neustadt und Bamberg, einen Gartenbetrieb, ein Cafe, eine Bäckerei oder auch Fertigungsstätten für die Industrie. In ihnen finden aktuell 300 ehemalige Suchtkranke sowie Landzeitarbeitslose eine Beschäftigung. Auf diese Weise finden pro Jahr fünf bis zehn Personen zurück in den ersten Arbeitsmarkt. Den Umsatz beziffert Thiem auf elf bis zwölf Millionen Euro. „Wir hatten seit 25 Jahren immer ein positives Ergebnis – und das als Sozialunternehmen.“

Entsprechend des gemeinnützigen Ziels fließen die Gewinne in das Wachstum der Laufer Mühle. Neue Arbeitsplätze sollen entstehen und die bestehenden Arbeitsplätze krisensicher bleiben, um auch kritische Zeiten zu überstehen. Lohn und Brot sind für den 66-jährigen Thiem ein wichtiger Baustein, um suchtkranken, langzeitarbeitslosen oder psychisch kranken Menschen den Weg zu einem zufriedenen und glücklichen Leben zu ebnen. Ausgangspunkt war ein leerstehender Baumarkt in Höchstadt/Aisch für sein erstes KreisLauf-Kaufhaus.

Thiem weiß, worauf es in seiner Arbeit angekommt. Der gebürtige Pretzfelder hat selbst eine schwere Alkoholiker-Laufbahn hinter sich. Er kennt den Weg vom Alkoholkonsum, über Missbrauch bis zur Abhängigkeit. Der begabte Schüler kommt ins Internat nach Nürnberg, um eine gute gymnasiale Laufbahn zu absolvieren. Dort fühlt er sich fremd, vermisst seine Heimat und bleibt schon in der ersten Klasse sitzen. Bereits mit 13 Jahren trank er sich in den Vollrausch, beim Abi fiel er durch, eine Ausbildung bricht er ab. „Suchtmittel schaffen Befreiungen bei Schmerz“, egal ob es um Einsamkeit, Gewalterfahrungen oder Missbrauch in der Kindheit gehe.

Nach einem Selbstmordversuch wird ihm klar: „Ich will leben.“ Er absolviert eine Therapie und lernt Ex-Abhängige als Vorbilder kennen. Dann holt er sein Abitur nach und studiert erfolgreich Sozialpädagogik. Anfang der 1990er Jahre entscheidet er sich, in einer alten Mühle in Lauf bei der Gemeinde Adelsdorf mit einer „therapeutische Gemeinschaft bundesweites Neuland betreten.“ Mit der Arbeit auf dem Hof wollte er suchtkranken Menschen mit schwersten Abhängigkeitsverläufen helfen. Das landwirtschaftliche Anwesen bot mit Tieren, Gemüsegarten, Feldern, Karpfenteich, Wald und Mühlenbetrieb eine gute Grundlage dafür, dass jeder Betreute eine verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen konnte.

Das Leitmotto der Suchthilfeeinrichtung Laufer Mühle heißt „Leben meistern“. Es steht dafür, dass „durch Fördern und Fordern Freiheit, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zurückgewonnen werden können“. Thiem wollte einen „Ort der Hoffnung“ schaffen. Wer als Betroffener den Weg zu seiner Einrichtung finde, „ist im Teufelskreis ganz unten angekommen“. Diese suchtkranken Menschen, die zur Laufer Mühle vermittelt wurden, gelten „therapeutisch als ausgemustert und austherapiert“.

Ende Mai 2025 nimmt er Abschied von seinem Lebenswerk und sein gesetzlicher Ruhestand beginnt. Doch der Hobbysportler kann sich nicht vorstellen, zu Haus auf dem Sofa zu sitzen oder ständig Urlaub zu machen. In der Schublade hat er bereits ein pädagogisch-therapeutisches Konzept für eine neue gGmbH zur Versorgung von Obdachlosen. „Ich möchte auch meine christliche Verpflichtung aktiv leben.“ Noch in diesem Jahr soll im Landkreis Erlangen-Höchstadt das Angebot stehen: „Ein solches Konzept gibt es deutschlandweit noch nicht und wäre somit ein Modellprojekt.“

Zwar bietet der Sozialstaat viele gute und professionelle Hilfen. Doch aus seiner Sicht sind sie für Obdachlose oft zu hochschwellig und damit für Betroffene schwer erreichbar oder mit viel bürokratischem Aufwand verbunden. Gemeinden und Kommunen erfüllten ihren gesetzlichen Auftrag zur Unterbringung der Obdachlosen. Das sei aber oft nur ein Dach über den Kopf. Thiem will Aufgaben im Auftrag der Kommunen speziellen Wohnraum schaffen und mit sozialarbeiterischen Hilfen kombinieren. Eine Hilfe zur Selbsthilfe soll verhindern, dass Wohnungslose nicht wieder in die Obdachlosigkeit geraten.

Eine große Hürde war die bislang ungeklärte juristische Frage, ob Gemeinden überhaupt diese Pflichtaufgabe an einen Dritten übertragen dürfen. Mittlerweile hat der Landkreis Erlangen-Höchstadt grünes Licht gegeben.  mit einem „ja“- somit war der Weg für mich frei, in den einzelnen Gemeinden (Gemeinderatssitzungen) für dieses „ganzheitliche Konzept“ zu werben. 16 Gemeinden haben bereits ihr Interesse bekundet.