Abfallvermeidung ist praktisch umgesetzter Ressourcenschutz. Für die Wirtschaft ist es angesichts der Flut an Verpackungsmüll günstiger, für die – bestenfalls gelbe – Tonne zu produzieren. In Deutschland entsteht im EU-Vergleich sogar die größte Menge an Verpackungsmüll. Zuletzt waren es rund 18 Millionen Tonnen. Rechnet mal den Müllberg aus Plastik, Papier, Glas und anderen Materialien um, schaut es etwas besser aus. Pro Kopf kommen die Deutschen auf 215 kg pro Jahr. Das ist deutlich mehr als der EU-Durchschnitt von etwa 178 kg/Kopf. Allerdings verursachen die Iren und die Italiener noch mehr Verpackungsmüll. Nun will die EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR – Packaging and Packaging Waste Regulation; 2025/40) regulatorisch umsteuern.
Der Mülltourismus wird immer schwieriger, immer mehr Länder lehnen die gelben Säcke ab. Nun will die EU mit ihren neuen Vorschriften die anfallenden Verpackungs- und Abfallmengen minimieren. Gleichzeitig soll die Verwendung von Primärrohstoffen verringert und eine kreislauforientierte und zugleich wettbewerbsfähige Wirtschaft gefördert werden. Deshalb gibt es – schrittweise – verbindliche Anforderungen an Rezyklate, Wiederverwendbarkeit, Kompostierbarkeit und die Kennzeichnung von Verpackungen. Die PPWR ist bereits in Kraft und gilt ab dem 12. August 2026 in allen EU-Mitgliedsstaaten. In Deutschland löst das neue Verpackungsrecht-Durchführungsgesetz (VerpackDG) das bisherige Verpackungsgesetz (VerpackG) ab. Allerdings gibt es gut neun Monate vor Scharfstellung erst einen Entwurf des Bundesumweltministeriums.
Ronald Künneth, stellvertretender Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt befürchtet einem„Regulierungsdschungel“. Die erste deutsche Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991 kam noch mit vier Seiten aus. Die PPWR umfasst dagegen 124 Seiten. Sie wird fortlaufend durch sogenannte delegierte Rechtsakte der Europäischen Kommission und durch Durchführungsrechtsakte präzisiert. Deshalb müssten die Unternehmen praktisch fortlaufend auf Neuerungen achten, so der Tenor auf einem Fachforum der IHK Nürnberg. Dazu zählen beispielsweise die Kriterien und Leistungsstufen für ein recyclinggerechtes Design, Methoden zur Bewertung der Recyclingfähigkeit sowie Kontrollmechanismen entlang der gesamten Produktkette.
Die europäische Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) bringt stufenweise eine ganze Reihe von neuen Anforderungen mit sich. Betroffen sind Unternehmen, die Verpackungen und verpackte Produkte herstellen und in den Verkehr bringen. Im Gegensatz zur bestehenden Gesetzgebung (Verpackungsgesetz) erweitert sich der Kreis der Verantwortlichen. Auch Importeure sollten sich über die neuen Vorgaben informieren und rechtzeitig darauf vorbereiten. Außerdem nehmen die Anforderungen an Kennzeichnung, Konformität und Materialität zu.
Betriebe mit verschiedenen „Rollen“
Einen kompakten Überblick gaben der Fachberater Jan Söllig aus Schnaittach und die auf Abfallrecht spezialisierte Rechtsanwältin Julia Meyeraus Hummeltal. Neu sind für Unternehmen insbesondere die Rollen, aus denen sich spezifische Verpflichtungen ergeben. Das betrifft alle Wirtschaftsakteure in den EU-Mitgliedsländern. Ausgenommen sind Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben und jährlich weniger als zwei Millionen Euro umsetzen. Alle anderen müssen ihre Rolle als Erzeuger und Hersteller, Lieferanten, Importeure oder Vertreiber sowie Endabnehmer gemäß der EU-Verordnung prüfen. Außerdem gibt es die zusätzliche Rolle eines Bevollmächtigten, der Aufgaben in einem Mitgliedsland außerhalb des Stammsitzes übernehmen muss.
Eine Firma ist ein Erzeuger, wenn sie Verpackungen oder ein verpacktes Produkt herstellt oder im eigenen Namen oder mit eigener Marke entwickeln oder herstellen lässt. Sie könne, müsse aber nicht gleichzeitig Hersteller sein, erklärte Söllig. Ein Hersteller im Sinne der PPWR ist in der EU ansässig und stellt erstmals Transport- oder Serviceverpackungen bereit. Er kann aber auch Produkte in anderen Verpackungen anbieten. Somit kann ein Hersteller Erzeuger oder auch Importeur bzw. Vertreiber von Produkten aus einem Nicht-EU-Land sein, wenn Verpackungen über ihn erstmals hier auf den Markt kommen. Ein Vertreiber ist gemäß der PPWR derjenige in der Lieferkette, der Verpackungen auf dem Markt bereitstellt – aber kein Erzeuger oder Importeur ist. Als Lieferant gilt das Unternehmen, das Verpackungen oder Verpackungsmaterial an einen Erzeuger liefert.
Ein Endabnehmer oder auch Endverbraucher ist jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Niederlassung in der EU, wenn ihm ein Produkt entweder als Verbraucher oder als beruflicher Endabnehmer im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit bereitgestellt wird. Das macht also auch Unternehmen zu Endverbrauchern, die Waren für den Eigenbedarf anschaffen und die Verpackung nicht weiterverkaufen oder weiternutzen. Und schließlich erfüllt ein Bevollmächtigter im schriftlichen Auftrag eines Erzeugers bestimmte Aufgaben in einem EU-Mitgliedsland. Das gilt für jedes Land, in das ein Verpackungserzeuger verpackte Produkte – auch aus dem Online-Handel – liefert.
Aus den verschiedenen Rollen ergeben sich unterschiedlichen Pflichten. Dabei geht es z. B. um eine Konformitätserklärung in Form einer schriftlichen Selbsterklärung. Sie bestätigt für die jeweilige Verpackung, dass alle Anforderungen der PPWR entlang der eigenen Lieferkette eingehalten werden. „Die Regelungen sind immer unternehmensbezogen anzusehen und auszuwerten“, unterstrich Meyer. Sie verwies auch auf Sonderregeln z. B. für Lebensmittelverpackungen, Verpackungen im medizinischen Bereich, Verpackungen für gefährliche Abfälle oder auch Pfandsysteme. Eine weitere Anforderung, die bereits ab August 2026 gilt, ist die Konformitätsbewertung inklusive technischer Dokumentation nach einem sogenannten Konformitätsbewertungsverfahren. Werden die Anforderungen nicht eingehalten, dürfen Verpackungen nicht mehr in den Verkehr gebracht werden.
Besorgniserregende Stoffe
Die Konformitätserklärung betrifft beispielsweise auch besorgniserregende Stoffe wie etwa die Konzentration etwa von Blei, Cadmium, Quecksilber oder Chrom. „Für die neuen Grenzwerte besteht künftig eine Nachweispflicht“, mahnte Söllig. „Diese EU-Konformität gilt für jede Verpackungsart.“ Die Erklärung beinhaltet auch Informationen zu wiederverwertbaren Verpackungen sowie künftig auch weitere Anforderungen wie den später gültigen Mindestanteil an recyceltem Material in Kunststoffverpackungen. Außerdem müssen biobasierte Rohstoffe in Kunststoffverpackungen, Angaben zu kompostierbaren Verpackungen und zur geforderten Minimierung der Verpackung enthalten sein. Außerdem gilt dann auch die Kennzeichnungspflicht für Verpackungen etwa in Form einer Seriennummer mit Postanschrift, die den Marktüberwachungsbehörden eine lückenlose Rückverfolgung erlaubt.
Registrierungspflicht
Zudem gibt es eine Registrierungspflicht im Herstellerregister in jedem Mitgliedstaat, in dem ein Unternehmen in der Rolle des Herstellers Verpackungen oder verpackte Produkte erstmals im Mitgliedstaat bereitstellt oder verpackte Produkte auspackt. Dort sind dann die jeweiligen Transportverpackungen und ausgepackte Verpackungen etwa an Glas, Kunststoff, Papier, Pappe und Karton für das Vorjahr zu melden. Hat das Unternehmen im jeweiligen EU-Mitgliedsland keine Niederlassung, muss es dort einen Bevollmächtigten bestellen.
Die beiden Experten Julia Meyer und Jan Söllig raten den betroffenen Unternehmen, im ersten Schritt zu klären, welche Rollen sie gemäß der EU-Verordnung einnehmen. Auf dieser Basis sollten sie dann die jeweiligen Pflichten identifizieren und priorisieren. Dabei sind insbesondere die Aufgaben wichtig, die bis zum 12. August 2026 umzusetzen sind. Daher lohnt es sich beispielsweise schon jetzt, bestehende Lieferantenverträge anzupassen. Darin sollten Informationen zu den 22 definierten Verpackungsarten enthalten sein, die für eine Konformitätserklärung benötigt werden.
Mit Blick auf die angekündigten ergänzenden Regulierungen ist es für Unternehmen ratsam, die eigenen Verpackungsmaterialien und ihre Recyclingfähigkeit genau in den Blick zu nehmen. Die EU reicht die Kriterien für eine recyclingorientierte Gestaltung bis Anfang 2028 nach. Bis 2030 folgen Methoden zur Bewertung von Recyclingfähigkeit sowie Kontrollmechanismen entlang der gesamten Produktkette.
Die sinnvollen Ziele des PPWR haben allerdings einen deutlichen Haken. Es fehlt ein zentrales Online-Portal, das Unternehmen bei den bürokratischen Prozessen entlasten würde. So könnten Unternehmen einfach per Mausklick ihre Registrierungspflicht in den EU-Ländern erledigen und Verpackungsmengen mitteilen.
